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Arzt und Patientin bei einer Trachomoperation in Äthiopien

Augenentzündung Trachom

Wenn Wimpern schmerzen

Sauberes Wasser ist Mangelware im länd¬lichen Äthiopien. Nur rund jeder Dritte Mensch hat gesundes Trinkwasser zur Verfügung. Typhus, Ruhr oder Hepatitis gehören zu den Krankheiten, die unmittelbar mit dem fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser zusammenhängen. Dieser wirkt sich aber noch weiter aus. Denn das Wasser fehlt nicht nur zum Trinken oder Kochen, sondern auch zur Körperhygiene. Und so kommt es, dass manche Krankheiten, die in Europa nur noch eine Erzählung von früher sind, in Äthiopien noch zum Alltag der Menschen gehören. Wie die Augenentzündung Trachom.

Tränen und Schmerz

Trachom wird durch Bakterien verursacht und ist vor allem in Ländern wie Äthiopien verbreitet, das weltweit das höchste Vorkommen aufweist. Schätzungen zufolge sind bis zu 75 Millionen Menschen gefährdet, sich mit Trachom anzustecken. Unbehandelt führt die Infektion zu einer chronischen Bindehautentzündung, wodurch sich das Augenlid nach innen dreht. Die Wimpern beginnen die Hornhaut zu zerkratzen. Vier Prozent der Bevölkerung Äthiopiens sind bereits von diesem Endstadium betroffen, das eine besonders schmerzhaften Erblindung zur Folge hat.
Portrait einer Äthiopierin, die an der Augenentzündung Trachom leidet
Zerfe leidet an der Augenentzündung Trachom. Ihre Wimpern kratzen an der Hornhaut und verursachen starke Schmerzen.
„Ich leide schon seit vielen Jahren darunter“, beklagt Zerfe, während sie vor einem Gesundheitszentrum auf ihre Untersuchung wartet. „Die Augen tränen und schmerzen sehr. Ich zupfe mir regelmäßig die Wimpern aus, damit ich etwas Erleichterung finde.“ Wie viele Betroffene versucht die 70-Jährige mit diesem drastischen Mittel ihre Augen zu schützen. Doch wenn die Wimpern nachwachsen, ist der Schmerz umso größer. Das Einzige, was in diesem Stadium noch hilft, ist eine Operation am Augenlid.

Diese dauert nur 15 Minuten und verändert doch so vieles. Vor allem aber rettet der kurze Eingriff das Augenlicht der Betroffenen. So auch das von Mulate, die schon seit ihrem 10. Lebensjahr unter der Infektion leidet und heute operiert wird. „Das größte Problem ist der Rauch, der beim Kochen über offenem Feuer entsteht“, ist die 28-Jährige überzeugt, die Ursache für ihre Krankheit gefunden zu haben. Wie so viele in den ländlichen Regionen weiß sie nicht, dass Trachom durch einfache Hygienemaßnahmen zu verhindern wäre.
Arzt bei einer Operation am Augenlid in Äthiopien
Die Operation am Augenlid dauert nur 15 Minuten. Nach einem kleinen Schnitt am oberen Augenlid, wird das Lid wieder nach außen gedreht und der Schnitt vernäht.

Kampf gegen Erblindung

Die Weltgesundheitsorganisation fasst die Strategie zur Eliminierung von Trachom unter der Abkürzung SAFE zusammen. Sie beinhaltet Operationen (Surgery), die im Endstadium notwendig werden, Antibiotika, um die Infektion zu behandeln, sowie Hygiene- (Facial Cleanliness) und Umweltmaßnahmen (Environmental Improvement), wozu neben dem Zugang zu sauberem Wasser auch die Errichtung geschlossener Latrinen gehört. Denn die Bakterien werden durch Schmierinfektion und auch Fliegen verbreitet, die sich nur zu oft in die Augenwinkel der Kinder setzen. Die Kleinen stehen auch im Mittelpunkt bei Untersuchungen, um herauszufinden, wie hoch das Vorkommen von Trachom in einer Region ist.

Das Auge im Fokus

Als Menschen für Menschen 2012 die Arbeit in der Region Abune Ginde Beret aufnahm, war dort jedes zweite Kind unter zehn Jahren von der entzündlichen Augenerkrankung betroffen. Bereits ab einem Anteil von 10 % erkennt die Weltgesundheitsorganisation einen dringenden Handlungsbedarf. Vor diesem Hintergrund wurde es dringend erforderlich, sofort zu handeln und eine umfassende Maßnahme zur nachhaltigen Bekämpfung von Trachom einzuleiten. Durch eine Schwerpunktaktion, bei der über den Zeitraum von fünf Jahren mehr als 80 % der Bevölkerung jährlich mit entzündungshemmenden Mitteln versorgt wurde, konnte der Anteil der Betroffenen drastisch gesenkt werden. Nur noch rund 3 % der unter Zehnjährigen war von Trachom betroffen.
Junge Äthiopierin nach einer Operation am Augenlid
Mulate ist durch die kurze Operation nach 18 Jahren von der Augeninfektion Trachom befreit.

Wissen ist ansteckend

Um dieses niedrige Niveau zu halten, ist es wichtig, nicht nur die Symptome mit Medikamenten zu behandeln, sondern vor allem Verhalten und Umfeld langfristig zu verändern. Wie durch den Bau von Brunnen und Quellfassungen, aber auch durch kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung über die Zusammenhänge zwischen Hygienemaßnahmen und bakteriellen Erkrankungen. Diese Aufklärung leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Menschen für Menschen bei ihrer täglichen Arbeit in den Dörfern. Bei Kochkursen oder Hauswirtschaftstrainings, aber auch in Form von Clubs, die in Schulen gegründet werden: Die Kinder lernen spielerisch Fakten über die Gesundheit und tragen das Wissen nach Hause zu ihren Eltern, Geschwistern und Großeltern. Eine Ansteckungsgefahr der positiven Art.

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