Bild einer Familie, die in der Afar-Region Äthiopiens lebt.

Durch die Augen von…

Lourdes Picareta

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Veränderung beginnt bei uns

Lourdes Picareta, Regisseurin und Drehbuchautorin, im Interview

Lourdes Picareta ist eine portugiesische Regisseurin und Drehbuchautorin. Im Interview mit Martina Hollauf vom Menschen für Menschen-Team in Wien gibt sie Einblicke in die Entstehung ihrer aktuellen Dokumentation „Zu viel Konsum? Zu viele Menschen? Die Erde am Limit! “. Die Filmemacherin beleuchtet die globalen Herausforderungen des steigenden Bevölkerungswachstums und spricht über Lösungen für ein ökologisch nachhaltiges und sozial gerechtes Leben.
Was hat Sie dazu bewogen, diese Dokumentation zum Thema Bevölkerungswachstum und Konsum zu drehen?

Lourdes Picareta: Ich beschäftige mich in meiner Arbeit schon lange mit globalen Themen. Zuvor habe ich eine ausführliche Dokumentation über das Artensterben gedreht, in der gezeigt wurde, wie Bevölkerungswachstum und unsere Lebensweise dazu beitragen. Mir wurde klar, dass viele Aspekte dieses Films eine eigene Dokumentation verdienen würden. Einer davon war das Bevölkerungswachstum in Tansania. Das hat dazu geführt, dass ich dieses Thema nochmals aufgreifen wollte, was schließlich zu diesem Projekt führte. Ich bin dann auf das fantastische Buch von Reiner Klingholz gestoßen: „Zu viel für diese Welt“ und habe ihn für die Dokumentation als zentralen Experten gewinnen können. Die Dokumentation bewegt sich deshalb auch sehr nahe an seinem Buch.

Warum haben Sie sich für Äthiopien entschieden und nicht für ein anderes Land wie Tansania oder Nigeria?

In Äthiopien, Eritrea und Nigeria gibt es ein erhebliches Bevölkerungswachstum. Eritrea und Nigeria musste ich jedoch wegen der dortigen Konflikte und Sicherheitsbedenken als Drehort ausschließen. Äthiopien war schon immer ein interessantes Land für mich und bot eine im Vergleich sicherere Option.

Waren Ihre Erfahrungen vor Ort im Einklang mit Ihren Vorstellungen?

Ich reise normalerweise ohne vorgefasste Vorstellungen in ein Land. Ich gehe als unbeschriebenes Blatt irgendwohin und versuche, das auf mich wirken zu lassen, was ich vorfinde. Die Äthiopierinnen und Äthiopier sind sehr liebenswürdige Menschen. Ich habe sie als sehr sanft und gefühlvoll empfunden und auch sehr zurückhaltend.
Bild einer Familie, die in der Afar-Region Äthiopiens lebt.
Für ihre Dokumentation besuchte Lourdes Picareta auch die Familie von Hawa, die in der Afar-Region Äthiopiens lebt.
Sie haben verschiedene Regionen in Äthiopien erkundet. Haben Sie bedeutende Unterschiede im Zugang zum Bevölkerungswachstum bemerkt?

Für mein Empfinden schon – obwohl ich zu wenig Zeit im Land hatte, um tatsächlich eine umfassende Aussage treffen zu können. Wir besuchten die Afar im Norden des Landes, die sich offenbar im Übergang von nomadischen zu sesshaften Lebensweisen befinden. Traditionelle Ansichten über Kinder als Segen sind bei der älteren Generation noch stark vertreten. Die jüngere Generation hingegen beginnt, ihre Einstellung dahingehend zu ändern. Im Süden habe ich den Einfluss von Bildung und dem Engagement der Politik stärker empfunden, was zu einer größeren Akzeptanz von Familienplanung führt. Ich war beeindruckt von der proaktiven Haltung der Regierung zur Reduzierung der Geburtenrate und zur Förderung der Bildung.

Was bedeutet Überbevölkerung wirklich? Sind es zu viele Menschen oder zu viele, die zu viel wollen?

Reiner Klingholz spricht genau aus diesem Dilemma heraus von der doppelten Überbevölkerung. Es geht nicht nur um die Anzahl der Menschen, sondern auch um den übermäßigen Konsum in den entwickelten Ländern. Beides belastet unseren Planeten enorm. Der Vergleich in meinem Film zeigt, dass eine westliche Familie noch vor dem Aufwachen mehr Energie und Ressourcen verbraucht als eine Großfamilie in Afar in einem ganzen Jahr. Selbst wenn wir Alternativen wie Elektroautos fördern, bleibt der übermäßige Konsum ein Problem und eine künftige große Herausforderung, was den Verbrauch von Rohstoffen betrifft. Unsere Gesellschaft schafft es nicht, sich von diesem Vielkonsum zu lösen, was auch in politischen Diskussionen sichtbar wird.
Glauben Sie, dass Aufklärung und Bildung diese Probleme wirksam angehen können?

Absolut. In Ländern wie Äthiopien kann Bildung den Menschen helfen, die Vorteile kleinerer Familien zu verstehen. In Ländern wie Österreich müssen wir nachhaltigere Konsumgewohnheiten fördern. Das Schwierigste am Film war, eine alternative Lebensweise zu finden, die für uns hier eine Option darstellen könnte. Ich habe mich für das Beispiel eines ökologischen Dorfes entschieden. Solche Gemeinschaften, die auf Nachhaltigkeit setzen, könnten ein Modell für die Zukunft sein, obwohl sie derzeit eher die Ausnahme sind. Letztendlich muss die Veränderung bei jedem Einzelnen beginnen.

Die Entwicklung Chinas spielt eine zentrale Rolle in Ihrer Dokumentation. Von einem sehr armen Land, das sich rasant entwickelt hat, inklusive den Konsequenzen wachsenden Konsums. Ist Äthiopien auf einem ähnlichen Weg?

Äthiopien zeigt Ansätze einer ähnlichen Entwicklung wie China und vergleichbarer Länder. Mit steigendem Wohlstand streben die Menschen nach einem besseren Leben, was oft zu höherem Konsum führt. Gleichzeitig fördert die Regierung alternative Projekte und nachhaltige Entwicklungen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Land weiterentwickelt. In unserem Film zeigen wir, dass in vielen Gesellschaften, sobald es den Menschen besser geht, sie weniger Kinder wollen. Dieser Trend ist weltweit zu beobachten.

Die zentrale Frage des Films lautet: Wer muss seinen Lebensstil ändern? Was könnte Ihrer Meinung nach die Antwort darauf sein?

Ich denke, man muss bei sich selbst anfangen, weil die Illusion, dass man andere ändern kann, einfach unrealistisch ist. In unserer Gesellschaft, obwohl es uns gut geht und wir materiell viel erreicht haben, fehlen oft Dinge, die unser inneres Wohlbefinden stärken. Daher glaube ich, dass hier ein Ansatzpunkt für die Veränderung unseres Lebensstils liegt und somit beim sogenannten globalen Norden, nicht bei den anderen.
Mädchen in Äthiopien das ein Bündel Holz am Rücken trägt und in die Kamera lächelt.

Wir laden ein

Filmvorführungen in Wien und Graz

Die Dokumentation „Zu viel Konsum? Zu viele Menschen? Die Erde am Limit!“ von Lourdes Picareta wird am 27.9.2024 im Burg Kino Wien und 11.10.2024 im KIZ RoyalKino Graz gezeigt. 

Wir laden dich herzlich dazu ein und freuen uns auf ein persönliches Kennenlernen!


Eintritt: Freie Spende!
Portrait der Regisseurin und Drehbuchautorin Lourdes Picareta.

Die Filmemacherin

Lourdes Picareta

Lourdes Picareta ist eine portugiesische Regisseurin und Drehbuchautorin. Seit den Achtzigerjahren ist sie hauptsächlich für öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland, Portugal und Frankreich tätig. In ihren Dokumentationen widmet sie sich Themen wie Armut, Migration und Menschenhandel und wurde unter anderem für den Grimme Preis nominiert. 2019 wurde sie mit dem CIVIS Medienpreis ausgezeichnet.
Portraitbild von Martina Hollauf, Team Menschen für Menschen Österreich

Martina Hollauf

Ihre Ansprechpartnerin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

E-Mail: m.hollauf@mfm.at
Tel.: +43 (0)1 58 66 950-16
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