Pilotprojekt für Pilzzucht in Jeldu
Glückspilze
Mit den Pilz-Kooperativen startete im Jänner 2019 ein ganz besonderes Herzensprojekt in Jeldu. Das Ziel ist, alternative Einkommensquellen zu schaffen und schrittweise die Wertschöpfungskette in der Region aufzubauen. Unter den ersten „Glückspilzen“ ist auch Bekele, ein ehrgeiziger junger Vater, der mit viel Energie an das neue Projekt herangeht. „Alle Pflanzen, die ich bisher kannte, wachsen auf der Erde und nicht in Säcken “, lacht er, „deshalb war ich anfangs skeptisch. Aber jetzt bin ich sehr beeindruckt.“
Bekele im Dezember 2019 mit der ersten Ausbeute, die in der Pilzhütte seiner Kooperative gezogen wurde. (Foto: Ferdinand Dyck/Sebastian Schneider)
Unbekannte Pilze
Im Jänner 2019 war Bekele einer von 29 Teilnehmern an der ersten Schulung zur Pilzzucht in Jeldu, die von Dr. Asefa Keneni von der Universität in Ambo durchgeführt wurde. „Der Anbau von Pilzen ist in Äthiopien weitgehend unbekannt. Dabei ist er vor allem für jene Menschen von Vorteil, die kaum Land zur Verfügung haben“, betont Dr. Asefa. Er ist Experte auf dem Gebiet des Pilzanbaus und besonders glücklich, dass er sein Wissen mit den jungen Männern in der Projektregion Jeldu teilen kann.
Dr. Asefa zeigt Bekele, wie die Pilzsporen vermehrt werden und mit dem vorbereiteten Substrat vermengt werden.
Grundlagen der Pilzzucht
In der Schulung zeigte Dr. Asefa den Kursteilnehmern, wie die Sporen zunächst vermehrt werden müssen. Dazu lässt man sie auf Sorghum-Körnern (Sorghum ist eine Hirseart) austreiben, die dann wiederum auf einem Trägersubstrat ausgebracht werden. Um zu erfahren, welches Substrat sich am besten in der Region eignet, haben die Kursteilnehmer verschiedene Materialien ausprobiert, die zuerst pasteurisiert wurden: Zweige der Ackerbohne, unterschiedliches Stroh sowie Gras.
Während der Schulung haben Bekele und seine Kollegen gelernt, das Substrat, auf dem die Pilze wachsen werden, richtig aufzubereiten.
Geringer Aufwand, reiche Ernte
Das Substrat wird mit den mit Sporen bewachsenen Getreidekörnern in Säcke gefüllt, verschlossen und schließlich luftig gereiht in einer dunklen Hütte gelagert. Damit die Pilze wachsen können, werden die Säcke eingeschnitten. Die Pflege ist anschließend recht einfach, das Substrat muss lediglich feucht gehalten werden. Bekele und seine Kollegen müssen außerdem darauf achten, eventuell nachzuschneiden, wenn ein Pilz seinen Weg nach draußen sucht.
Bekele, Zerihun und Getu gehören zu den ersten Teilnehmern der Pilzzuchtschulung Anfang 2019.
Eine bessere Zukunft mit Pilzen
Insgesamt sollten von einem vorbereiteten Sack bis zu 3,5 kg an Pilzen zusammenkommen, die in der Hauptstadt 50-75 Birr (1-2 Euro) pro Kilo erzielen. Zum Vergleich: Ein Kilo grüner Kaffeebohnen kostet derzeit etwa 90 Birr. „Die Aufzucht von Pilzen braucht wenig Platz und ist besonders effizient. In der Regel können wir von einem Sack etwa fünf Mal in Folge Pilze ernten“, so Dr. Asefa, der vor allem das Potenzial der Pilze betonen möchte, jungen Menschen Zukunftsaussichten zu eröffnen.
Zerihun fehlte bislang eine Perspektive für die Zukunft. Die Pilzkooperative eröffnet ihm nun neue Möglichkeiten.
Eigenes Einkommen statt Tagelöhner
Zerihun, der gemeinsam mit Bekele und 27 weiteren jungen Männern an der ersten Schulung teilnahm, ist einer dieser jungen Menschen. Wie viele seiner Altersgenossen lebt der 20-Jährige ohne Aussicht auf Arbeit: „Viele in meinem Alter führen kein gutes Leben. Unsere Familien sind enttäuscht, weil wir keinen Job in der Region finden und in den Tag hineinleben. Deshalb zieht es so viele von uns in die Städte, wo wir aber auch nur als Tagelöhner Arbeit finden.“ Doch Zerihun sieht einen Silberstreif am Horizont: „Ich möchte dazulernen, ein gutes Einkommen haben und dadurch die Chance erhalten, meine Ausbildung abzuschließen.“ Deshalb kam die Möglichkeit zum Pilzanbau genau richtig.
Nur was schmeckt, kann auch erfolgreich verkauft werden. Bekele und seine Kollegen bei der ersten Pilz-Verkostung in Jeldu.
Der Schirm der Hyäne
Während Bekele, Zerihun und ihre Kollegen alles rund um die Aufzucht der Austernpilze lernten, kümmerte sich Menschen für Menschen-Mitarbeiterin Aberash um die richtige Zubereitung. Zahlreiche Frauen nahmen an ihrem Kochkurs teil, denn Pilze und ihre Zubereitung sind in der Region längst in Vergessenheit geraten, wie Projektleiter Gebeyehu Seyoum erzählt: „Früher gab es wohl noch Pilze in der Region, die hier übrigens ‚Schirm der Hyäne‘ genannt werden. Aber mit dem Wald sind auch die Pilze verschwunden.“
Menschen für Menschen-Mitarbeiterin Aberash demonstriert ein einfaches und trotzdem sehr schmackhaftes Rezept für die Austernpilze.
Wichtige Nährstoffe
Weil die Pilze noch recht unbekannt sind, ist es wichtig, dass in einem ersten Schritt die Familien der Teilnehmer selbst vom Produkt überzeugt werden. Bekele geht als Leiter der ersten Pilzkooperative mit gutem Beispiel voran: „Als wir die ersten Pilze geerntet haben, habe ich meine Brüder, Schwestern und Nachbarn eingeladen, um sie zu verkosten. Jedem schmeckten die Pilze, also werden wir weiterhin auch für uns selbst produzieren und die Pilze nicht nur verkaufen. Unsere Gesundheit profitieren ja auch von den Nährstoffen.“
Herausforderung Pilz-Sporen
Im ersten Jahr musste das Pilotprojekt trotz allen Ehrgeizes der Teilnehmer einen kleinen Rückschlag einstecken, als das Labor in der Universität Ambo kontaminiert war: „Pilzsporen lassen sich nur in sterilen Räumen züchten“, erklärt Projektleiter Gebeyehu, „deshalb mussten wir kurzfristig auf private Anbieter zurückgreifen.“ Etwas, das der Motivation Bekeles keinen Abbruch tut. Elf Monate nach seiner ersten Schulung steht er stolz vor dem Eingang der Blechhütte, die seine Kooperative für die Aufzucht errichtet hat.
Die nächsten Schritte der Glückspilze
„Noch konsumieren wir die Pilze hauptsächlich selbst, aber unser Plan ist es, dass später pro Ernte jedes der 12 Kooperativen-Mitglieder etwa 2.000 Birr verdient.“ In einem nächsten Schritt möchten Bekele und seine Kollegen wichtige Personen aus den Gemeinden, zum Beispiel Vertreter des Ältestenrats, einladen, um die Pilze über den Familienkreis hinaus bekannt zu machen. Das erklärte Ziel: Die Pilze auch über die Region hinaus zu vertreiben, wo sie heiß begehrte Ware sind, wie Dr. Asefa weiß: „Es gibt eine große Nachfrage nach Speisepilzen im Land. Hotels und Restaurants in den Städten verlangen verstärkt danach, der Bedarf kann aktuell gar nicht gedeckt werden.“
Der Pilzanbau bietet den jungen Leuten gute und noch dazu nahrhafte Zukunftsaussichten. Wir bleiben dran und berichten über die Fortschritte und Erfahrungen von Bekele, Zerihun und ihren Kollegen.