Nachhaltige Hilfe in Albuko
Kleine Schritte zum großen Traum
Vielen Familien in Albuko reichen die Erträge aus der Landwirtschaft gerade einmal zum Überleben. Familienvater Shek berichtet, wie er durch die Unterstützung von Menschen für Menschen wieder neue Hoffnung für die Zukunft schöpft.
Dichter Rauch breitet sich aus und brennt in den Augen und in der Nase. Wenn Hayisha die Sauerteigfladen Injera zubereitet, ist man gut beraten, nicht im selben Raum zu sein. Die große Tonplatte, auf der traditionell das Grundnahrungsmittel Äthiopiens zubereitet wird, steht mehr oder weniger stabil auf drei Tonhöckern über einem offenen Feuer. Die Rauchentwicklung ist enorm und das Atmen in dem kleinen Raum fällt schwer. Hayisha, ihr Mann Shek und ihre vier Söhne leben in einer kleinen Hütte in Albuko, wo Menschen für Menschen Anfang des Jahres die Arbeit aufnahm. „Zum Leben und Schlafen teilen wir uns ein Zimmer“, erzählt der 45-jährige Shek. „Wir haben ein einziges Bett, da haben nicht alle darauf Platz. Der Großteil meiner Familie muss am Boden schlafen.“
Gemeinschaft erreichen
Viele Familien im ländlichen Äthiopien wie jene von Shek leben auf engstem Raum zusammen. Zumeist teilen sie sich den Schlaf- und Wohnraum auch noch mit Nutztieren wie Ziegen oder Hühnern. Die Aufklärung über die gesundheitlichen Auswirkungen dieser räumlichen Enge sind unter anderem Bestandteil von Kursen, die Menschen für Menschenin den Projektregionen anbietet. „Wichtig ist, dass die Gemeinschaft von Beginn an eingebunden ist“, erklärt Berhanu Bedassa, der sich als Projektleiter für die Arbeit in Albuko verantwortlich zeichnet. „Wir erreichen die Menschen durch den Einsatz von Entwicklungsberaterinnen und -beratern, die in den Dörfern leben und den Alltag mit den Familien teilen.“ Diese Berater:innen sind das Rückgrat der Organisation und erste Anlaufstelle für die Bevölkerung. Auch Sheks erster Kontakt mit Menschen für Menschen führte über einen Entwicklungsberater: „Er hat mir von der Arbeit der Organisation berichtet und wie ich mich daran beteiligen kann. Als allererstes habe ich an einem landwirtschaftlichen Kurs teilgenommen“, berichtet Shek von seinen ersten Schritten Richtung Veränderung. „Wir haben nur einen dreiviertel Hektar Land zur Verfügung. Darauf bauen wir hauptsächlich Weizen, Bohnen und Mais an.“
Shek und seine Familie im Gespräch mit Projektleiter Berhanu Bedassa. Der direkte Austausch ist die Grundlage für eine vertrauensvolle Arbeit.
Lebensgrundlage bricht weg
Die Lebensgrundlage der Gemeinschaft in Albuko beruht auf ihren Erträgen aus einfacher Landwirtschaft. Viele Umstände führen aber dazu, dass es für die meisten Familien gerade einmal zum Überleben reicht. Die Böden sind oft ausgelaugt, das Verschwinden der Wälder führt zur Erosion der Felder, die den Bäuerinnen und Bauern förmlich unter den Füßen wegbrechen. Hinzu kommen veraltete Anbau- oder Bewässerungsmethoden, die dazu führen, dass noch mehr Erde abgeschwemmt wird. Außerdem fehlt es an Saatgut oder Setzlingen, insbesondere für vitaminreiches Obst und Gemüse. Auch Sheks Familie findet mit dem spärlichen Ertrag der Felder kein Auskommen, weshalb Shek gezwungen ist, zusätzlich als Tagelöhner zu arbeiten. „Aber auch dieses Einkommen reicht einfach hinten und vorne nicht“, beklagt der vierfache Vater seine missliche Lage. „Ein halbes Jahr kommen wir mit unserer Ernte und meinem Verdienst gerade so über die Runden. Den Rest des Jahres sind wir auf Unterstützung angewiesen, um zumindest etwas zu essen zu haben.“ „Die Ernährung der Menschen langfristig zu sichern, ist einer der wichtigsten Punkte unserer Arbeit“, weiß auch Berhanu Bedassa. „Das schaffen wir unter anderem durch die Ausgabe von Saatgut und die Vermittlung von Wissen über ertragreiche Anbaumethoden. Damit diese Maßnahmen aber ihre volle Wirkung entfalten können, müssen wir bestehende Wälder schützen und Aufforstungsprojekte umsetzen. Nur so kann sich die Umwelt erholen, wodurch die Böden auch wieder fruchtbarer werden.“
Kochen ist Umweltschutz
Beim Schutz der Umwelt spielen auch die Kochstellen eine zentrale Rolle: Der überwiegende Teil der Haushalte nutzt wie Hayisha ein offenes Feuer, das viel Brennmaterial verbraucht. Dazu zählen einerseits Holz und Reisig, das im Umland gesammelt wird. „Ich bin jeden Tag etwa eine Stunde damit beschäftigt, Holz zu sammeln“, erzählt Hayisha. „Täglich verbrauchen wir ein Bündel Holz fürs Kochen und um am Abend etwas Licht zu haben.“ Andererseits kommt auch getrockneter Dung als Brennmaterial zum Einsatz, der dann wiederum als Dünger auf den Feldern fehlt. Der Gebrauch des offenen Feuers wirkt sich nicht nur negativ auf die Umwelt aus – auch die Gesundheit der Menschen leidet. Die Frauen sind besonders von der starken Rauchentwicklung betroffen, kleine Kinder sind gefährdet, sich am offenen Feuer zu verbrennen. Eine sehr simple Lösung stellen sogenannte „grüne“ holzsparende Öfen dar, die Menschen für Menschen in den Projektregionen bekannt macht. Die Öfen bestehen aus Betonringen, die zu einem geschlossenen Ganzen zusammengesetzt werden. Darin wird die Tonplatte eingesetzt, auf der Injera zubereitet wird. Ein Abzug kann zusätzlich für die Erhitzung der in Äthiopien so beliebten „Wots“ (meist Soßen auf Bohnenbasis) genutzt werden. Ein kleinerer, geschlossener Ofen ist mobil und wird von den Familien zum Beispiel für die traditionelle Kaffeezeremonie verwendet.
Hayisha nutzt noch eine offene Feuerstelle zum Kochen. Auf den drei Höckern wird ein Topf oder eine große Tonplatte balanciert.
Neue Öfen backen gut
„Für die Produktion der Öfen haben wir in Albuko eine Kooperative gegründet“, berichtet Projektleiter Berhanu. „Fünf Frauen wurden in der Herstellung der holzsparenden Öfen geschult. Von Menschen für Menschen haben sie zudem die Formen zum Gießen der einzelnen Bestandteile sowie Zement und Sand erhalten, um gleich mit der Produktion beginnen zu können.“ Die Öfen, die von der Kooperative produziert werden, finden dann gegen einen kleinen Betrag ihren Weg in die Küchen der Familien. Diese wiederum erfahren in Schulungen, wie wichtig es ist, die Kochstelle in einem separaten Raum zu ermöglichen. Der neue Ofen wird außerdem auf einer erhöhten Stelle aufgestellt, um das Verletzungsrisiko für die Kleinsten zu minimieren. Durch die Produktion vor Ort ergeben sich gleich mehrere Vorteile: die Mitglieder der Kooperative erhalten ein selbstständiges Einkommen und fördern die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Denn sobald das Geschäft mit den Öfen erfolgreich wird, stellen sie in der Regel Arbeiterinnen und Arbeiter an und es werden so neue Jobs geschaffen. Langfristig bleibt durch die Produktion vor Ort das technische Wissen in der Region erhalten. Das heißt, wenn Menschen für Menschen die Arbeit in einer Region abschließt, vervielfältigt sich die Wirkung weiter.
Fünf Frauen wurden in Albuko darin ausgebildet, holzsparende Öfen herzustellen. Sie organisieren sich in selbstständigen Kooperativen.
Zeit, Kraft und Geld sparen
Aber besonders bei den Familien zeigt diese im Vergleich minimalistische Maßnahme große Veränderungen: Ein holzsparender Ofen braucht nur halb so viel Brennmaterial wie eine offene Feuerstelle. Frauen wie Hayisha sparen sich dadurch Zeit und Kraft, die sie in andere Unternehmungen investieren können. Zum Beispiel in einen Kurs oder die Teilnahme am Mikrokreditprogramm, das Menschen für Menschen auch in Albuko bereits umsetzt. Die Tonscheiben, auf denen Injera gebacken wird, brechen zudem nicht so leicht. Viele Frauen berichten, dass sie mit einem geschlossenen Ofen anstelle von drei Platten im Jahr nur noch eine alle drei Jahre kaufen müssen. Dadurch spart die Familie Geld.
Ein geschlossener Ofen braucht nur etwa halb so viel Brennmaterial wie eine offene Feuerstelle.
Es ist einer der vielen kleinen Schritte, die notwendig sind, um langfristig die Lebensbedingungen von Menschen wie Hayisha, Shek und ihren Kindern zu verbessern. Die Beteiligung der Bevölkerung ist dabei entscheidend, wie Berhanu Bedassa erläutert: „Wir verfolgen grundsätzlich einen partizipativen Ansatz, wobei die Menschen in den Dörfern den Löwenanteil daran haben.“ In den ersten Monaten der Projektarbeit wurden bereits zahlreiche landwirtschaftliche Kurse abgehalten. Auch Shek zählt zu den ersten Pionierinnen und Pionieren Albukos, die bereits einen Kurs absolviert haben. „Ich habe kürzlich Gemüsesaatgut erhalten und im Kurs gelernt, wie es anzubauen ist, um möglichst viel Ertrag zu erhalten“, berichtet Shek. Auch die ersten Setzlinge für Avocados und Mangos haben bereits ihren Weg auf die kleinen Familienhöfe Albukos gefunden. So nährt sich die Hoffnung auf ein besseres Leben und die Erfüllung eines großen Traums, den Shek mit so vielen Familienvätern teilt: „Ich möchte einfach eigenständig für meine Familie sorgen können. Meine Kinder sollten genug zu essen haben und eine gute Ausbildung erhalten.“